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26.04.2024
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Kritik an Bahn nach ICE-Brand in Montabaur / 39 Brände in ICEs in den vergangenen 10 Jahren / Lokführer: "Bahn überbrückt Schutzrelais"
08.11.2018

Von: Eurail Press


Seit 2008 hat es 39 Mal in ICEs der Deutschen Bahn gebrannt. Das erklärte die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) auf Anfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz". In 36 Fällen musste der Zug ganz oder teilweise evakuiert werden. Das haben weitere Recherchen von "Report Mainz" ergeben.


Alleine in diesem Jahr hat es bisher in drei ICEs Feuer oder Rauch gegeben, davon zweimal auf der Schnellfahrstrecke Köln/Rhein-Main. Auch 2006, 2014 und 2017 gab es auf dieser Strecke je einen Brand. Die Strecke gilt als sehr anspruchsvoll, auf ihr werden nur ICEs der Baureihe 3 planmäßig eingesetzt. Bahnexperte Prof. Markus Hecht begründet die hohe Zahl der Brände auf der Schnellfahrstrecke: "Die Leistungsanforderung dort ist sehr hoch, gleichzeitig gibt es zu wenige Fahrzeuge. In der Folge werden Züge mit Schäden auf die Strecke geschickt." Angesichts der Gesamtzahl der Brände in ICEs fordert er: "Wir brauchen eine zuverlässige Bahn. Und eine unsichere Bahn kann nicht zuverlässig sein."

Zuletzt waren am 12. Oktober dieses Jahres in der Nähe von Montabaur zwei Waggons des ICE 511 völlig ausgebrannt. Im Interview mit "Report Mainz" bewertet Professor Hecht Zeugenaussagen zu diesem Unfall. Sie deuteten "ganz stark auf eine Explosion im Kühlkreislauf des Transformators hin". Hecht erklärt weiter: "So etwas tritt auf, wenn das Buchholzrelais nicht funktioniert." Dieses Bauteil ist dafür zuständig das Transformatoren-Öl zu überwachen, eine Überhitzung zu melden und notfalls den Transformator abzuschalten. Derzeit wird die Ursache des Brandes von der Bundesstelle für Einbahnunfalluntersuchung ermittelt. Mit einem Abschlussbericht wird erst in einigen Monaten gerechnet.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn räumte gegenüber "Report Mainz" ein, dass die Deutsche Bahn gelegentlich das Buchholzrelais überbrücke, aber nur bei ICE 1 und ICE 2. Eine Überbrückung des Buchholzrelais sei beim ICE 3 und ICE T grundsätzlich nicht zulässig und in den Wartungsprozessen der Bahn nicht vorgesehen. "Eine Überbrückung ist nach unserem Kenntnisstand bei ICE 3 und ICE T nicht vorgekommen", so der Bahn-Sprecher.

Ein Lokführer wirft gegenüber "Report Mainz" der Deutschen Bahn dagegen vor, dass sie auch ICE-3-Züge mit einem überbrückten Buchholzrelais fahren lasse. Weitere Lokführer berichten schriftlich, dass sie schon ICE 3 gesteuert hätten, bei denen eines der Relais überbrückt gewesen sei. Die Transformatoren befinden sich beim ICE 3 nicht wie bei den ICEs älterer Bauart in einem Triebkopf, sondern sind unter den Waggons verteilt. Jeder Trafo wird mit 1640 Litern Öl gekühlt.

Bahnexperten halten das Überbrücken des Relais' für ein Sicherheitsrisiko. Prof. Arnd Stephan von der TU Dresden meint: "Das ist ein wichtiger Schutzmechanismus, der sollte nicht außer Betrieb gesetzt werden. Grundsätzlich ist ja auch in den Betriebsregimen und in den Instandhaltungsanweisungen solcher Transformatoren und Fahrzeuge vorgeschrieben, dass der Schutz als einer der wesentlichen Schutzmechanismen im Betrieb sein soll." Prof. Markus Hecht sagt: "Das Buchholzrelais ist ein Basissicherheitselement, das darf ich nicht überbrücken."

Im Gespräch mit "Report Mainz" kritisiert der Feuerwehrinspekteur des Kreises Neuwied, Werner Böcking, dass die Bahn die Feuerwehren nicht ausreichend über Gefahrenquellen an Bord von ICEs aufgeklärt habe. Böcking war am 12. Oktober beim Brand vor Ort und sagte gegenüber "Report Mainz", dass er sich einen Brand solchen Ausmaßes nicht habe vorstellen können. Böcking: "Ein solches Brandszenario wurde seitens des Notfallmanagements der Deutschen Bahn immer so dargestellt: 'Das kann doch eigentlich gar nicht passieren. Was soll denn da brennen?'"

Böcking fordert im Interview mit "Report Mainz" von der Bahn eine engere Zusammenarbeit mit den Rettungskräften und ein besseres Notfallmanagement. Böcking berichtet, dass der Notfallmanager beim Brand am 12. Oktober erst etwa 40 Minuten nach der Alarmierung vor Ort gewesen sei, vorgesehen seien maximal 30 Minuten. Die Rettungskräfte dagegen hätten den brennenden Zug bereits nach etwa elf Minuten erreicht. Sie haben demnach fast eine Dreiviertelstunde darauf warten müssen, dass der Notfallmanager die Oberleitung erdet. Erst dann durfte die Feuerwehr mit dem Löschen beginnen.