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Länderverkehrsminister für mehr Oberleitungen im Netz
13.11.2017

Von: Allianz pro Schiene


Berlin, den 8. November 2017. Spätestens seit der Streckensperrung von Rastatt formiert sich aus den Bundesländern über Parteigrenzen hinweg die Forderung nach einem Elektrifizierungsprogramm des Bundes für wichtige Lückenschlüsse im deutschen Netz. Auf Anfrage der Allianz pro Schiene haben sich jetzt die Verkehrsminister aus sieben Bundesländern dafür ausgesprochen, mehr Strecken mit Oberleitungen auszustatten und die Elektrifizierungsquote des Bundesschienennetzes von derzeit 60 Prozent auf mindestens 70 Prozent zu steigern. Eine aktuelle Aufstellung zum Elektrifizierungsgrad des deutschen Netzes belegt, dass Deutschland im EU-Vergleich und auf Bundesländerebene großen Nachholbedarf hat.


Quelle: Allianz pro Schiene

Der Baden-Württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) forderte vom Bund ein klares Elektrifizierungsziel und erinnerte an ein entsprechendes Votum der Verkehrsministerkonferenz: Viele Bahnen fahren schon elektrisch, aber für saubere Luft und den Klimaschutz braucht man mehr E-Mobilität. Deshalb sollen mindestens 70 Prozent des deutschen Schienennetzes eine Oberleitung erhalten. Hermann nannte auch Beispiele für Elektrifizierungen, die das Land ohne Rückendeckung des Bundes in Angriff genommen habe. In Baden-Württemberg wird aus eigenen Landesmitteln in Elektrifizierungsmaßnahmen, insbesondere auf der Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen, investiert. Als Reaktion auf die Streckensperrung der Rheinbahn forderte der Minister ein Bundesprogramm mit weiteren zentralen Projekten, bei denen der Bund mit einem eigenen Elektrifizierungsprogramm auf das Desaster von Rastatt reagiert. Dabei muss es ein Sonderprogramm geben, das elektrifizierte Umleitungen zu allen wichtigen europäischen Güterverkehrsmagistralen schafft.

Der bayerische Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) betonte die Rolle der elektrifizierten Bahn beim Thema Klimaschutz: Es muss unbedingt mehr Elektromobilität auf der Schiene vorangetrieben werden – gerade im Kontext der Energiewende, des Beitrags des Verkehrssektors für den Klimaschutz und Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs. Das Gute bei der Bahn ist, dass man das Rad hierfür nicht neu erfinden muss. Dass für viele Strecken jenseits des Bedarfsplans Schiene schon allein aus ökonomischer Sicht eine Elektrifizierung der Königsweg für mehr Dekarbonisierung ist, hat der Freistaat erst kürzlich durch ein Gutachten der TU Dresden schwarz auf weiß bestätigt bekommen. Mit der Elektrifizierungsquote in Bayern von 51 Prozent zeigte sich Herrmann unzufrieden: Für einen starken und weiter wachsenden Wirtschafts-, Tourismus- und Wohnstandort wie Bayern ist es ein Anachronismus, dass es einen Elektrifizierungsgrad von nur rund 50 Prozent und drei der größten Diesel-Inseln bundesweit aufweist, während die Nachbarn Österreich und Schweiz beim elektrifizierten Bahnnetz europäische Musterknaben sind. Wie sein Minister-Kollege aus Baden-Württemberg verwies Herrmann auf die Konferenz der Verkehrsminister. Als Beispiele für wichtige Elektrifizierungsprojekte im Freistaat nannte Herrmann die Anbindung des Aschaffenburger Hafens ans elektrifizierte Hauptnetz oder das hochfrequentierte Oberlandnetz in die Alpentäler rund um den Tegernsee, über das rund 30 Prozent aller Dieselzüge in den Münchner Stadtbereich reinkommen und sich negativ auf die Luftqualität auswirken.

Die brandenburgische Verkehrsministerin Katrin Schneider (SPD) erinnerte den Bund daran, dass besonders die Elektromobilität auf der Schiene ausbaufähig sei: Bei dem Ausbau der E-Mobilität wird zuerst an die Bahnen und die Schiene gedacht. Der Schienenverkehr ist das Rückgrat des ÖPNV in der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Aber es gibt noch viel Luft nach oben. Deshalb setzt man sich beim Bund für den Ausbau und die Elektrifizierung weiterer Bahnstrecken im Brandenburg ein, beispielsweise von Berlin nach Stettin oder von Berlin über Cottbus nach Görlitz und weiter nach Breslau. Auch die Ostbahn nach Küstrin und weiter nach Gorzow ist eine wichtige Strecke. Auch Schneider nannte den Klimaschutz als einen wesentlichen Grund für weitere Strecken-Elektrifizierungen.

Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zeigte sich auch mit der hohen hessischen Elektrifizierungsquote noch nicht zufrieden: Ohne die elektrischen Bahnen ist der Güter- oder Personenverkehr im Rhein-Main-Gebiet gar nicht vorstellbar. Und Hessen liegt mit 67 Prozent Elektrifizierungsquote deutlich über dem Durchschnitt. Doch werden zusätzliche elektrifizierte Strecken benötigt, um für den Fall besonderer Ereignisse wie in Rastatt Alternativen zur Verfügung zu haben. Auch Al-Wazir erinnerte den Bund an den Zusammenhang zwischen erfolgreicher Klimapolitik und Elektromobilität auf der Schiene: Deutschland ist gerade dabei seine Klimaschutzziele zu verfehlen, da der Verkehrssektor nicht liefert. Deshalb setzt sich Als-Wazir beim Bund für ein Sonderprogramm Elektrifizierung mit hessischer Beteiligung ein, das auch die Elektrifizierung von Nahverkehrsstrecken einbezieht. Für Hessen könnten dieses die Lahntalbahn und die Odenwaldbahn sein.

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) nannte weitere Vorteile von Bahnstrecken mit Oberleitungen: Die Elektrifizierung von Schienenstrecken ist nicht nur wirtschaftlich und betrieblich sinnvoll. Sie kann vor dem aktuellen Hintergrund der Diskussion über Luftschadstoffe auch einen wichtigen Beitrag für eine bessere Luftqualität in den Ballungsräumen leisten. Das Land Nordrhein-Westfalen hat deshalb die Elektrifizierung von Schienenstrecken als Förderschwerpunkt gesetzlich festgeschrieben. Punktuell kann auf abgegrenzten Streckenabschnitten auch die Nutzung von Triebfahrzeugen mit Energiespeichertechnologie eine günstigere und schneller zu realisierende Lösung sein, sagte Wüst und nahm für weitere Anstrengungen den Bund in die Pflicht. Um aber zu einer möglichst flächendeckenden Elektrifizierung zu kommen, ist es dringend erforderlich, dass auch der Bund als Eigentümer des größten Eisenbahninfrastrukturunternehmens Deutsche Bahn ein Sonderprogramm für die Elektrifizierung von Schienenstrecken auflegt.
Der Minister nannte zahlreiche Beispiele für Strecken, die in NRW dringend zu elektrifizieren wären – darunter das Kölner Dieselnetz, die Erftbahn oder die Ruhrtalbahn.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) zeigte sich verärgert über die niedrige Elektrifizierungsquote seines Landes. Es gibt in Schleswig-Holstein zwar viel Windstrom, aber ganz wenig elektrifizierte Bahnstrecken. Für den Bundesverkehrswegeplan wurden Strecken zur Elektrifizierung angemeldet. Zum Beispiel die Strecke von Itzehoe nach Westerland, die immer noch mit Dieselloks befahren wird. Die standardisierten Berechnungen zum Kosten/Nutzen Faktor des Bundes führten aber dazu, dass die Projekte nicht in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wurden. Hinzu kommt, dass ausgerechnet in Schleswig-Holstein Diesel verbrannt wird und nebenan die Windmühlen runtergeregelt werden, weil der Strom in den Netzen nicht gebraucht wird. Buchholz betonte, dass Elektromobilität gerade auf der Schiene künftig mehr gefördert werden solle: Sie möchte sich daher dafür einsetzen, dass die Gelder aus dem Dieselfonds des Bundes nicht nur in die Elektromobilität von PKWs fließen, sondern auch in eine sehr naheliegende und einfach zu realisierende Elektrifizierung von Bahnstrecken.

Auch Thüringens Verkehrsministerin Birgit Keller (Linke) machte sich für eine Elektrisierungsoffensive stark, die besonders Thüringens Regionalverkehr nutzen würde: Auf der Schiene ist die Elektromobilität mit Abstand am weitesten. Aber gerade in Thüringen müssen viele Regionalbahnen noch mit Diesel fahren, weil eine Oberleitung fehlt. Der Freistaat kommt gerade mal auf eine Elektrifizierungsquote von 30 Prozent, was deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Der Nachholbedarf für das Land ist also unstrittig, während die Vorteile elektrischer Bahnen für saubere Luft und weniger Lärm auf der Hand liegen. Keller forderte „vom Bund mehr Engagement bei der Elektrifizierung. Bei einem Sonderprogramm Elektrifizierung wäre Thüringen mit wichtigen Strecken dabei.
Als Beispielstrecken für Thüringen nannte Ministerin Keller den Lückenschluss Weimar - Gera - Gößnitz, den Lückenschluss Gotha - Leinefelde und die Strecke Leipzig - Hof über Gera.