Verkehrsbetriebe
Schweiz: SUST-Empfehlungen und SBB-Reaktion verunsichern Güterbahnen04.07.2025
Als Folge des Unfalls im Gotthard-Basistunnel kündigt die SBB an, aus dem Transport von Güterwagen mit LL-Bremssohlen auszusteigen.
Ob die Unfallursache weitere Konsequenzen auch für andere Güterbahnen nach sich ziehen, ist noch nicht absehbar, erscheint aber wahrscheinlich. Nachdem der lang ersehnte Abschlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) zur Entgleisung des Güterzuges im Gotthard-Basistunnel am 10. August 2023 vorlag, folgte prompt eine Pressemitteilung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die die europäische Bahnbranche überraschte. „Die SBB wird schrittweise aus dem Transport von Güterwagen mit LL-Bremssohlen aussteigen“, teilte die SBB mit. Die Bahn ist „besorgt über das Unfallrisiko im Güterverkehr“ und kommt zu dem Schluss: „Es ist zu hoch.“
Die SBB begründet die Maßnahme mit einer „Häufung von Ereignissen in Europa, die zeigt, dass das Unfallrisiko zugenommen hat.“ LL-Bremssohlen (LL ist die Abkürzung für: low noise, low friction) würden höhere thermische Belastungen für die Räder auslösen als die früheren Graugussbremssohlen. Mögliche Folgen könnten Spannungen und Risse sein, die zu Radbrüchen führen. Daher fordert die SBB die Schweizer Behörden (Bundesamt für Verkehr, BAV) und die europäischen Behörden (Eisenbahnagentur der EU, ERA) zum raschen Handeln auf. „Ansonsten muss aus Sicht der SBB der Einsatz von Güterwagen mit LL-Bremssohlen in der Schweiz und in Europa eingeschränkt oder gar verboten werden“, teilt die SBB mit. Und die SBB macht Nägel mit Köpfen: Der Großteil des Ausstiegs soll bereits bis Ende dieses Jahres erfolgen.
SBB Cargo selbst hat keine eigenen Wagen mit LL-Bremssohlen. Sie setzt seit Langem auf K-Bremssohlen (K = Komposit oder Verbundstoff). Allerdings fährt sie für andere Güterbahnen deren mit LL-Bremssohlen ausgestatteten Waggons - noch. Die K-Bremssohle gilt als deutlich weniger anfällig für Erhitzungen, jedoch ist sie teurer. Im Markt ist die Rede davon, dass die Ausrüstung eines vierrädigen neuen Waggons mit LL-Bremssohle ungefähr 1700 Euro kostet, die mit K-Bremssohle hingegen etwas über 5000 Euro.
Es geht dabei um etwa 2800 Wagen pro Woche, die mit LL-Bremssohlen ausgestattet sind und von diversen Güterbahnen bewegt werden, die meisten davon im Transit.
DB Cargo beispielsweise wollte zu dem Bericht der SUST aktuell keine Stellungnahme abgeben. „Neben anderen Güterbahnen wäre auch DB Cargo von den angekündigten Änderungen bei der SBB betroffen“, teilt ein DB-Sprecher mit.
Organisationen wie der Verband der Güterwagenhersteller in Deutschland (VPI) halten sich mit Stellungnahmen zurück und wollen zunächst den SUST-Bericht intern auswerten. Auch bei der ERA war bislang keine Aussage zu erhalten. Die ERA dürfte das Gremium sein, dass entscheidet, ob als Folge des Berichtes europaweit geltende Maßnahmen getroffen werden. Dort gibt es bereits eine Task Force „Accident Gotthard base tunnel – broken wheels”, die am 24. Oktober 2023 gegründet wurde.